Gesundheitswesen

Krankenhäuser

Die mittlere Lebenserwartung der Madagassen ist in den letzten Jahren wieder auf unter 60 Jahre gesunken. Häufige Krankheiten sind fiebrige Erkrankungen mit Verdacht auf Malaria, Durchfall und Dauerhusten, bzw. andere Infekte der Atemwege. Besonders stark betroffen sind Kleinkinder unter 11 Monaten.

 

Die Ernährungssituation verschlimmert die allgemeine Gesundheitslage ebenfalls. 50% der Bevölkerung gilt als dauerhaft unterernährt. Die gesundheitlichen Folgen der Mangelernährung bekommen insbesondere alte Leute und Kleinkinder zu spüren. Zahnausfall und Wachstumsstörungen sind die Folge. Auch Krankheiten wie Lepra, Pest und Tuberkolose sind neben den allgegenwärtigen Tropenkrankheiten wie Malaria und Dingue auch heute noch in einigen Regionen Madagaskars anzutreffen.

 

Das Hauptproblem und der Verursacher der meisten Krankheiten bleibt die Unterernährung und eine damit einhergehende Fehlernährung: 85% der Fälle von Kindersterblichkeit hängen mit Unterernährung zusammen. Die Säuglings- und Kindersterblichkeit liegt bei 110 von 1000 Geburten.

Die Nahrung ist einseitig auf das Essen von Reis ausgerichtet. Doch nicht einmal davon gibt es genug für alle. Eine normale Ernährung sollte 400 Gramm geschälten Reis pro Kopf und Tag betragen, was einer theoretischen Menge von 221 Kilo pro Jahr entspricht. Längst nicht alle Reisbauern schaffen es, die entsprechende Menge Reis für ihre - oft zahlreiche - Familie zu ernten. Natürlich sucht jede Familie, ihren Speiseplan durch Maniok und Mais, Gemüseblätter und etwas Fleisch zu bereichern. Doch sehr oft genügt der Vorrat nicht bis zur nächsten Ernte. Und noch häufiger stellt sich durch das ausschließliche Essen von Reis eine krasse Fehlernährung ein. Leidtragende davon sind vor allem die Kinder.

 

Ein Drittel aller Krankheiten geht auf Probleme der Atemwege zurück. Fast so viele sind Infektionskrankheiten und Parasiten. Malaria ist eine immer wiederkehrende Krankheit.

Tuberkulose bleibt weit verbreitet und wird mangels Medikamenten kaum behandelt. Große Bevölkerungsteile sind von dieser Krankheit befallen.

Insbesonders Kinder leiden regelmäßig unter chronischem Durchfall.

Ein großes Problem stellen die Hautkrankheiten dar, die aufgrund von mangelnder Hygiene auftreten. Nur 1 bis 5% der Haushalte auf dem Land sind mit Latrinen ausgerüstet.

Bilharziose ist weit verbreitet. So gut wie jeder Reisbauer leidet unter dieser chronischen Infektion, denn die Bilharziose übertragenden Saugwürmer und ihre Wirtsschnecken leben gern in stehendem Wasser.

 

Eine Erkrankung jeglicher Art ist auch in Madagaskar eine teure Angelegenheit. Die staatlichen Mediziner sollten eigentlich ihre Dienste kostenlos ausüben, doch hat sich auch hier ein System der kleinen Korruption etabliert. 

 

Die Impfprogramme für Kinder (Tetanus, Keuchhusten, Diphtherie) funktionieren hingegen gut, weil damit eine Art Wettbewerb verbunden ist. Rund 60% der Kinder sind geimpft.

 

Auffallend sind die unglaublich schlechten Zähne eines grossen Teils der Bevölkerung, vor allem auf dem Hochland. Dies mag auf einseitige Ernährung (Reis) zurückgehen, die Madagassen hingegen führen diesen Umstand auf den Mangel an Kalzium zurück.

 Die Universität Mahajanga bildet hunderte von Zahnärzten aus: allerdings findet nur ein geringer Teil der ausgebildeten Zahnärzte eine Arbeit im Gesundheitsministerium und für viele bleibt die Eröffnung einer eigenen Praxis mangels Finanzen ein unrealisierbarer Traum.

 

Das Gesundheitsministerium verwaltet fast 2000 öffentliche Einrichtungen. Jede Provinz verfügt über ein Generalspital, in Antananarivo sind es zwei mit mehreren Fachabteilungen. Dazu kommen 13 Regionalspitäler, in denen auch Operationen vorgenommen werden, 58 einfache Spitäler, 103 medizinische Zentren, 413 Sanitätsposten, 145 Krankenstationen, 75 Entbindungsstationen und 1110 Ersthilfeposten. Diese recht hohe Dichte täuscht aber über die tatsächliche Qualität der Krankenpflege hinweg: keine 150 FMG für Medikamente stehen pro Jahr pro Bewohner zur Verfügung. Für den Kauf von Medikamenten werden 27% des Gesundheitsbudgets aufgewendet; um die 60% wird für die 14’300 Angestellten verbraucht. Das Gesamtbudget des Gesundheitsministeriums bewegt sich um die 30 Milliarden FMG, für den Kauf der Medikamente fallen bloss 4,5 Milliarden FMG (1992) ab, wozu noch die Schweizer Entwicklungshilfe jahrelang weitere 5 Milliarden beisteuerte, doch allein für den Kauf von Medikamenten würden 24 Milliarden gebraucht.

1975 wurden 9,2% der öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen aufgewendet, 1992 waren es nur noch 4,8%. 

 

Es sind zwar in allen grösseren Gemeinden und in allen Städten mehrere Krankenhäuser und vor allem Geburtskliniken anzutreffen, deren Ausrüstung entspricht aber bei weitem nicht einem europäischen Ausbaustandard. Arzt- und Zahnarztpraxen sind auch viele vorhanden, aber auch deren Ausstattungen mit technischem Material sind meistens erbärmlich.

 

Das Gesundheitswesen ist hoffnungslos unterfinanziert. Der Staat deckt bloss 10 - 20% der theoretischen Bedürfnisse an Medikamenten. Rund 1,5 Mia. FMG wurden in der 80er Jahren für Medikamentenkauf des Staates ausgegeben, wobei diese Summe infolge der Geldentwertung 1989 zehnmal weniger wert waren als 1980. Pro Person standen innerhalb der staatlichen Strukturen nur etwa 35 FMG pro Jahr zur Verfügung, dazu kamen rund 100 FMG an Geschenken von nationalen und internationalen Organisationen. Zudem wurden vom staatlichen Gesundheitsdienst eine unvernünftig hohe Anzahl an Medikamenten eingekauft (über 5000 Produkte), statt sich gemäss der Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf wenige hundert Produkte einzuschränken.

Im Durchschnitt gibt jeder Madagasse 4500 FMG pro Jahr für Medikamente aus. Um ein Minimum der Bedürfnisse zu decken, sollten 3 US-$ pro Jahr und Kopf zur Verfügung stehen.

Mediziner werden an den Universitäten in Antananarivo und in Mahajanga ausgebildet. Anfangs 1991 waren 3259 Ärzte in Madagaskar tätig, also ein Mediziner auf 4742 Personen, was verglichen mit afrikanischen Ländern eher gut ist. (Kamerun beispielsweise hat einen Arzt auf 12’000 Personen). Allerdings befinden sich in Madagaskar über 1000 Ärzte ohne Arbeit. In zehn Jahren wurden 2116 Mediziner ausgebildet. Doch die Flächendeckung ist nicht erreicht, zum Teil auch wegen der geringen Dichte der Bevölkerung. Gegen Ende der zweiten Republik wurde erlaubt, als unabhängiger Arzt (Médecin Libre) eine selbständige Praxis zu führen. Doch diese konzentrieren sich vor allem auf die Städte, was in einzelnen Quartieren sogar zu einem Überangebot führt. Hingegen steht den 31’000 Einwohnern der Region um Fenoarivo Be (rund 170 km westlich von Antananarivo) nur ein einziger Arzt zur Verfügung.

Zu den Leistungen des Staates gesellen sich etliche Spitäler und unzählige Krankenstationen der religiösen Orden, die in vielen Gegenden die einzige medizinische Anlaufstelle der Kranken bilden. Insbesonders die Lutheraner haben sich in diesem Sektor stark engagiert und bieten medizinische Hilfe zu zugänglichen Preisen. In der Hauptstadt haben sich in den letzten Jahren auch ein paar private Kliniken etabliert, von denen allerdings der Grossteil der Madagassen aus Geldmangel ausgeschlossen bleibt. 

 

In allen grösseren Ortschaften und Städten sind Apotheken vorhanden, deren Medikamentenangebot aber sehr bescheiden ist. In der Hauptstadt sind die wichtigsten Medikamente des Weltmarktes jedoch erhältlich.

Viele Madagassen vertrauen eher den Medizinmännern, Schamanen und Naturheilern als den klassischen Medizinern. Auf vielen Märkten werden diese Naturheilmittel in Form von Wurzeln, Rinden, Hölzern, Blättern, Blüten, Früchten, Kernen usw. angeboten.

 

Etliche Firmen importieren Medikamente und vertreiben sie zum Teil über eigene Kanäle, wobei sie gern arbeitslose Ärzte als Vertreter einstellen. Nur drei Firmen produzieren Medikamente in Madagaskar: die mit chinesischer Hilfe 1985 erstellte und unter Staatskontrolle arbeitende OFAFA und die mit privatem Kapital erbauten Firmen FARMAD und RATHERA. Auch sie können sich nicht zur Produktion von Basismedikamenten entschliessen. Eine Anzahl an Instituten widmet sich der pharmazeutischen Forschung.

 

Eng mit dem Gesundheitszustand der Bevölkerung verbunden sind Wasser und Hygiene. Zwar ist das Herbringen von sauberem Wasser für den täglichen Bedarf schon ein grosses Problem, doch die Evakuierung der Abwässer und die Verhinderung der Übertragung von Krankheitserregern stellt eine noch so gut wie ungelöste Herausforderung. In den Städten sind nur 3% der Abwässer kanalisiert. Auf dem Land existieren keinerlei Massnahmen zur Evakuierung von Abwässern, ebenso wie Toiletten und Latrinen weitgehend fehlen. Die Stadt Fianarantsoa hat bloss zwei öffentliche Toiletten, wobei eine defekt ist.

 

Nur 55% der 220 Orte Madagaskars mit mehr als 2000 Einwohnern haben Wassersysteme, die allerdings in etliche Fällen nicht mehr funktionieren. 

Keine 10% der ruralen Bevölkerung hat Zugang zu akzeptablem Trinkwasser in genügender Quantität und in tolerabler Distanz (je nach Topografie 500 m). In den Dörfern auf dem Land existieren kaum Wasserversorgungsanlagen. 33% der Landbevölkerung nimmt ihr Wasser aus Flüssen, 39% von Quellen und 17% aus Brunnen. 10% fängt Regenwasser auf.

 

 Es zeigt sich also, dass der Teufelskreis der Armut, des Elends und der Abhängigkeit nur mit dem Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens und mit der Entwicklung eines effizienten Kommunikationssystems durchbrochen werden kann. Erziehung, Kommunikation und Bildung sind demnach die Schlüssel zu nachhaltiger Entwicklung. Keine andere Investition kann die Zukunft Madagaskars besser sichern.