Nicola

In Beroboka, wo der Wind die Geschichten der Vorfahren durch die staubigen Gassen trug, lebte der achtjährige Nicola bei seinem Großvater Lala. Nicolas Lachen war selten geworden, denn sein Herz trug eine unsichtbare Schwere. Sein Vater war nicht da, und seine Mutter hatte in einem fernen Ort ein neues Glück gefunden. Ein Glück, in dem für ihren eigenen Sohn kein Platz mehr war. Sie hatte ihn zurückgelassen und nun war Großvater Lala sein einziger Fels in der Brandung.

 

Lala, dessen Hände so alt waren wie die Bäume um sie herum, tat sein Bestes. Er arbeitete auf den Feldern, fischte in den Flüssen, doch das Geld reichte kaum für das Nötigste. Schulgeld war ein ferner Luxus, Hefte und Stifte schien es nur in den Träumen zu geben. Nicola, ein kluger Junge mit wachen Augen, beobachtete schweigend, wie andere Kinder zur Schule gingen. Er sehnte sich danach, zu lernen, die Geheimnisse der Bücher zu entschlüsseln, doch der Hunger in seinem Bauch und die Leere in seinem Ranzen waren ständige Erinnerungen an seine missliche Lage. Oft schlich er sich fort und saß unter einem alten Baum, um den Geschichten der Ältesten zu lauschen, die er für sein eigenes Lernen ersetzte.

Doch dann, an einem Morgen, der so schien wie jeder andere, legte sich eine neue Nachricht wie ein warmer Schal um Beroboka. Ein Verein aus Deutschland hatte beschlossen, die Hand auszustrecken und einigen Kindern aus dem Dorf zu helfen – und Nicolas Name war dabei! Die Unterstützung umfasste nicht nur das lang ersehnte Schulgeld und alle notwendigen Materialien wie Hefte und Stifte, sondern auch etwas, das Nicolas Großvater Lala kaum zu glauben wagte: die Gewissheit, dass genug Essen auf den Tisch regelmäßig und ausreichend kommen würde. 

Als Lala die Nachricht Nicola erzählte, geschah etwas Seltsames. Nicola sagte kein Wort. Er blickte zu seinem Großvater auf, und dann, ganz langsam, breitete sich ein geheimes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Es war nicht laut oder ausgelassen, sondern tief und leise, wie ein Brunnen, der plötzlich wieder Wasser spendet. Lala erkannte es: Es war das Lächeln der Hoffnung, das Lächeln eines Kindes, das nach langer Zeit wieder einen Sinn im Morgen sah.

 

Von diesem Tag an war Nicolas Gang fester. Er half seinem Großvater mit neuer Energie, und in seinen Augen lag eine stille Entschlossenheit. Die Schule würde ihn lehren, die Welt zu verstehen und das Essen würde ihm die Kraft geben, seinen Weg zu gehen. Nicolas geheimes Lächeln wurde zu einem Versprechen – ein Versprechen an sich selbst, an seinen Großvater Lala und an all jene, die ihm von so weit her eine zweite Chance im Leben schenkten. Ein Kind, das einst zurückgelassen wurde, fand nun seinen eigenen Weg nach vorne.

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